»Die Weisheit läßt ihre Stimme hören auf den Plätzen« – Stellvertretung und Opfer in der Christologie – Dogmatische Erwägungen zum Begriff der Religion – Welches Verständnis von Person leitet die Ethik? – Wie viel Magie verträgt der Glaube? – Taufanerkennung bei bleibend unterschiedlicher Lehre? – Glaube und Vernunft – Rechtfertigung als Vergottung? - Freundschaft und Stellvertretung
Evangelische Theologie 59 (1999), 187-202.
Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass die Anliegen der Theologie in der
Öffentlichkeit gehört werden. Eine Gegenstrategie könnte der Rekurs auf
einige Bereiche der biblischen Weisheitstradition sein, in denen allgemeingültige,
also entsprechend anschlussfähige Aussagen gemacht werden. Dagegen wird hier
gehalten: Die ganze Theologie ist ein weisheitliches Unternehmen, nicht nur die
»Vorfelder«, in denen sie Plausibilität zu erreichen versucht. Damit
wird auch auf die Traditionen der theologischen Weisheit samt ihrer neutestamentlichen Adaptionen Bezug genommen. So gerät in den Blick, dass
letztlich Jesus Christus die Weisheit Gottes ist. Die Interpretation der
Theologie als Weisheit kann daran nicht vorbeigehen.
Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie 41 (1999), 62-77. Gemeinsam mit Ralf Frisch
Die Rede von Stellvertretung und Opfer gehört zu den schwierigsten und gleichzeitig zentralsten der Theologie. Sie ist zum Kern theologischen Denkens überhaupt erklärt oder aber mit gleichem Verve als blutrünstiger Sadismus entrüstet verabschiedet worden. Was also ist mit ihr anzufangen? Wir rekonstruieren diese Rede, indem wir zunächst ihr thematisches Umfeld entfalten. Der Topos von der Stellvertretung ist nicht ein isoliertes Lehrstück, er entfaltet vielmehr die biblische und reformatorische Rede vom Menschen vor Gott: Dass Gott für den Menschen eintritt, das macht den Menschen aus, das erst lässt ihn zum Menschen werden. Individualität ist geschenktes alienum, oder provokant: Ich ist ein Anderer. Diese Thematik wird biblisch-theologisch rückgebunden und mit einer Hermeneutik des biblischen Opferbegriffs verknüpft: Das Opfer ist nicht, wie einer Lesart des Anselmschen Paradigmas glauben machte, die Schlachtung eines Unschuldigen um Gottes Ehre willen, es dramatisiert vielmehr Gottes Zuwendung zum Menschen und die geschenkhafte Erneuerung der menschlichen Existenz. Der biblischen Rede vom Opfer gilt es eine Dialektik abzulauschen, die eben dies unverstellt deutlich macht.
Berliner Theologische Zeitschrift 21 (2004), 157-171.
Ist der moderne Religionsbegriff, verstanden als individuelles Innewerden der höchsten Realität, an sein Ende gekommen? Der Aufsatz geht kurz auf die Begründung dieses Religionsbegriffs bei Kant und Schleiermacher ein und diskutiert dann das Verhältnis von Religion und Glaube. Auch wenn dem Glauben theologisch der Primat zukommt, so ist Religion doch nicht ein obsoletes Thema, sondern aus heuristischen Gründen unverzichtbar.
Evangelische Theologie 64 (2004), 438-453.
In der theologischen Ethik spielt, ob thematisiert oder nicht, das Verständnis von Person eine entscheidende Rolle. Der Aufsatz versucht anhand eines Lesegesprächs mit der ›Theorie der Gerechtigkeit‹ von John Rawls hierfür Einsichten zu sammeln. Dabei zeigt sich zunächst, dass die klassische Fronstellung zwischen einer Vertragstheorie der Gerechtigkeit und einem theologischen Entwurf bei weitem nicht so starr ist, wie es weithin angenommen wird. Die Spezifika des theologischen Personverständnisses werden gleichwohl in Absetzung von Rawls’ Theorie gewonnen. Dabei geht es zum einen um die sog. Exzentrizität der Person, also darum, dass sie im ihr äußerlichen Christusereignis gegründet ist und zum anderen um die Frage, welche Rolle Gesellschaft und Gemeinschaft bei der Konstitution der Person eigentlich spielen: Während die Vertragstheorie nur Gesellschaft und Individuum kennt, beharrt die Theologie auf einem ekklesiologischen Aspekt. Was eine/r ist, bemisst sich auch daran, dass sie/er am Leib Christi existiert. Mit diesen und anderen Argumenten wird für ein Verständnis von theologischer Ethik geworben, die ihren Skopus weniger in Diskurs, Entscheidung und Verantwortung sieht, sondern die Frage in den Mittelpunkt rückt, was es heißen mag ›im Geist‹ Jesu Christi zu handeln.
Alles fauler Zauber? Beiträge zur heutigen Attraktivität von Magie, hg. von G. Lademann-Priemer, R. Schmitt und B. Wolf, Münster 2007, 103-136.
Die Grenze ist der fruchtbare Ort der Erkenntnis, so sagt es Paul Tillich. Und so ist es richtig, Themen in Augenschein zu nehmen, die üblicherweise als "untheologisch" und "unchristlich" zurückgewiesen werden. Magie ist ein solches Thema. In Auseinandersetzung mit religionswissenschaftlicher Forschung dazu (v.a. B. Malinowski) wird zuerst gezeigt, dass es auch und gerade in unserer Lebenswelt alltägliche Magie gibt, etwa die Magie des Geldes. Die systematische Auseinandersetzung geschieht an Hand von Betrachtungen zum Rechtfertigungsgeschehen einerseits und zum Bittgebet andererseits: Rechtfertigung verändert Menschen, und das Bittgebet ist nichts weniger als die Provokation, des Menschen Bitte bewege Gott. Hier zeigt sich ein unscharfer Rand zur Magie, auch wenn Glaube und Magie gewiss zweierlei sind.
Profilierte Ökumene. Bleibend Wichtiges und jetzt Dringliches, hg. von F. Enns, M. Hailer und U. Link-Wieczorek, Frankfurt/M. 2009, 159-183.
Ein Klassiker der Ökumene ist die Frage nach Kinder- oder Erwachsenentaufe. Wenn nun, wie im Fall des Dialogs zwischen Mennoniten und Lutheranern, feststeht, dass zwei Dialogpartner sich nicht auf ein Konzept werden einigen können, ist dann zugleich die Möglichkeit wechselseitiger Anerkennung passé? Im Dialog mit einem im selben Band erschienenen Aufsatz des mennonitischen Theologen Fernando Enns wird argumentiert, dass wechselseitige Anerkennung bei bleibend unterschiedlicher Lehre möglich und sogar geraten ist, weil gezeigt werden kann, dass die jeweilige Taufkonzeption in sich schlüssig ist, die Möglichkeit einer anderen, in sich schlüssigen Konzeption aus dem Evangelium aber nicht bestreitet.
Kerygma und Dogma 55 (2009), 100-116.
Eine Reaktion auf die zum Teil hektischen Reaktionen auf die "Regensburger Vorlesung" von Papst Benedikt XVI. aus dem Jahr 2006. Vielfach wurde geurteilt, der Bischof von Rom habe die Metaphysik für sich und seine Konfession gepachtet, evangelische Theologie gehe dagegen von reiner Offenbarungsbestimmtheit aus. Dagegen wird gezeigt, dass das Gottesdenken der platonisch-aristotelischen Tradition eine immanente Faszination ausweist, die auch dann gilt, wenn es als Grundlegung der Theologie nicht in Frage kommt. Bei Martin Luther selbst lässt sich der Rekurs auf einen allgemeinen Gottesgedanken nachweisen, der letztlich in der Tradition der Negativen Theologie steht und der zur Grundlegung der Theologie aus dem Anruf des Evangeliums ins Verhältnis gesetzt werden muss.
Lutherjahrbuch 77 (2010), 239-267.
Die finnische Lutherforschung, eine Gruppe um Tuomo Mannermaa (Helsinki) behauptet, dass Luthers Rechtfertigungslehre mit dem Stichwort "forensisch" höchstens ansatzweise, wenn nicht falsch beschrieben ist. Vielmehr lehre der Reformator, die wirkliche Anwesenheit Gottes im Gerechtfertigten und eine Gnadenlehre, die der östlichen theosis-Vorstellung ähnelt. Diese kräftige Provokation wird in der kontinentaleuropäischen Lutherforschung und systematischen Theologie verschwiegen oder eilends zurückgewiesen. Dafür besteht allerdings kein Anlass. Die finnische Forschung weist zu Recht auf die Realistik des Rechtfertigungsgeschehens hin und fordert dazu heraus, die Präsenz Gottes als sein Dreh- und Angelpunkt zu verstehen. Das gilt, auch wenn nicht alle Konsequenzen der finnischen Arbeiten überzeugen können.
Freundschaft. Zur Aktualität eines traditionsreichen Begriffs, hg. von M. Hofheinz, F. Mathwig und M. Zeindler, Zürich 2014, 53-80.
Freunde sind einander nicht nur sympathisch, sie treten füreinander ein. Der Aufsatz untersucht die Logik des füreinander-Eintretens und argumentiert, dass es dabei um nichts weniger als um die jeweilige personale Identität geht: Der Freund steht so für den anderen ein, dass er dem Selbst des Anderen die Stelle bereitet und freihält, zu der dieser kommen kann und darf, an der er sich aber noch oder derzeit nicht befindet. Dies, für das Selbst des Anderen eintreten zu können (und zu dürfen), unterscheidet den Freund vom Kumpel. Die sich in echter Freundschaft zeigende Stellvertretungslogik ist nun ohne Zweifel theologisch "imprägniert". Neben einer phänomenologisch orientierten Beschreibung von Freundschaft verfolgt der Aufsatz die theologische Spur, u.a. zu Thomas von Aquin und zum locus classicus in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles.